Was man will, das kann man. Echt jetzt?

Ein klares Stück über Kinderarmut vor Ort

Wie fühlt sich für ein Kind Armut an? Hier, in unserer Überflussgesellschaft, die Chancengleichheit propagiert und leichtlippig behauptet, man könne alles schaffen, man müsse es nur genug wollen. Mit „All about Nothing – Ein Stück über Kinderarmut“ bewegt die Performancegruppe „pulk fiktion“ das FFT-Premierenpublikum. Gradlinig und unaufgeregt zeigen sie den gesellschaftlichen Zynismus, der sich wie eine Decke über die Kinder legt und sie mit ihren Nöten unsichtbar macht. All about Nothing – überall nichts: In Deutschland lebt jedes fünfte Kind unterhalb der Armutsgrenze.
Auf der Bühne der Kammerspiele wird die Geschichte des 21. Geburtstags einer Frau erzählt. Sie blickt Jahr um Jahr auf ihr Leben zurück. Weder zornig noch mutlos, dennoch ist die Aussichtslosigkeit auf Erfolg, auf ein Leben diesseits von Hartz IV zu spüren. Mit einem Führerschein ließe sich leichter eine Lehrstelle finden – aber wie den finanzieren, wenn die Familie von öffentlichen Mitteln lebt? Jobben gehen, um für die Fahrschule Geld zu verdienen, klappt nicht, dies Einkünfte werden auf das Familieneinkommen angerechnet. All about Nothing – überall nichts: Das gesellschaftliche Credo „Du kannst alles werden, wenn du es nur willst“, klingt hier bitter.
Authentizität erhält die Aufführung durch die eingespielten Statements. Die Theatergruppe hatte in Köln und Düsseldorf mit Kindern und Jugendlichen über ihre Situation gesprochen, hat ihnen zugehört.
Mach was aus dir, hören die. Spiel Schlagzeug in einer Band, die nie probt. Du kannst alles werden, was du willst. Mach etwas mit den anderen zusammen. Am See Geburtstag feiern, Tretboot fahren, grillen. In die Stadt fahren, shoppen gehen…All about Nothing – überall nichts: Ohne Geld keine Teilhabe.
Die Wünsche der Heranwachsenden klingen bescheiden. Geld verdienen für eine eigene Wohnung, ein Mann haben und zwei Kinder. Oder absurd, wenn ein Kind Medizin studieren will. Die Saturierten der Gesellschaft wissen, dass es die falsche Startnummer ins Leben gezogen hat. All about Nothing – überall nichts.

Neue Rheinische Zeitung, Pamela Broszat, 07.06.2016