Wenn die Monser des alten Meisters lebendig werden

Bilderbücher inspirieren Hannah Biedermann, die ehemalige Schauspielschülerin des Theater der Keller, immer wieder zu aufsehenerregenden Regiearbeiten. Mit Theater Tjong-Kings Meisterwerk „Hieronymus“ hat sie sich jedoch eines der schwierigsten Werke der Illustrationskunst ausgesucht.
Der aus Indonesien stammende Zeichner erzählt von einem Jungen, der beim Spiel vor dem haus in eine Schlucht stürzt, Ball, Rucksack und Mütze verliert und – viel schlimmer noch – den Ungeheuern des Hieronymus Bosch ausgesetzt ist.
Man muss gesehen haben, wie Hannah Biedermann gemeinsam mit ihren drei Akteuren Amelie Barth, Elisabeth Hofmann und Kelvin Kilonzo das komplette Instrumentarium moderner Theaterarbeit zum Einsatz bringt. Souverän nutzt sie die Story, um vom Träumen, von der Angst, der Trauer und der Freude zu erzählen. Komplexe Phänomene, für die diese Produktion verblüffend konkrete Bilder findet.
Boschs Monster mit ihren Spinnenbeinen, Mäulern und Drachenkämmen defilieren über die schlanke Bühne des Freien Werkstatt Theaters. Die großartige Präzision der Tanzbilder von Elisabeth Hofmann ermöglichen das. Die Choreografie unterhält einen Dialog mit kleinen Fantasiemaschinen, die wie bizarre Tiere in das Geschehen eingreifen. Töne, Geräusche und Musik bilden ein dichtes Gewebe aus Effekten, die jedoch im Zusammenspiel mit Kinderstimmen aus dem Off und wunderbar altmodischen Filmelementen immer im Dienst der Geschichte stehen.
Hannah Biedermann und ihrer Gruppe pulk fiktion – die ja mit je einem Bein in Köln und Düsseldorf arbeitet – präsentieren eine Inszenierung, die überbordend mit Ideen ausgestattet ist und ganz sicher auch den großen Themen Tjong-King begeistern würde.