Was man im Kindertheater über die Gerechtigkeit lernen kann

Peter, der Bühnentechniker, hat alle Goldmünzen geklaut. Und nicht nur das, er hat sich auch noch die elektrisch blinkende Krone aufgesetzt. Er sei nun mal der einzige, dessen Kopf groß genug dafür sei, lautet Peters fadenscheinige Begründung. Waren Robin und seine Hoods – die mittelalterlichen Balladenfiguren treten im Freien Werkstatt Theater als Elektropop-Gruppe auf – nicht eigentlich angetreten, den Reichen zu rauben und den Armen zu geben?

Jetzt haben sie irgendwie das Gegenteil erreicht. Zeit für letzte, verzweifelte Maßnahmen. Aber wie holt man sich die Taler zurück? Mit Ocean’s 11-mäßiger Finesse, oder mit roher Gewalt? Die Frage geht ans Publikum. Und die Kinderjury urteilt gnadenlos: „Macht ihn alle!“, ruft ein Junge im Revoluzzer-Rausch. Kinder an die Macht? Die Grönemeyer-Forderung war schon immer gruselig.

Das Thema Gerechtigkeit und Teilhabe treibt Hannah Biedermanns Kinder- und Jugendtheatergruppe pulk fiktion schon länger um, ob es um Kinderarmut geht wie in „All or Nothing“ oder um politisches Handeln wie in der Hannah-Arendt-Befragung „Denken ohne Geländer“.

Samples aus der Robin-Hood-Geschichte

Für „Robin und die Hoods“ hat Biedermann nur die Dramaturgie übernommen, Regie führt diesmal Marcus Thomas, aber die Ästhetik ist erkennbar pulk fiktion: Der Dialog mit dem jungen Publikum, die spielerisch-leichte Aufarbeitung komplexer Fragestellungen und die klug, aber nie angeberisch eingesetzte Technik – hier sind es vor allem die vielen kleinen Samples aus der reichhaltigen Rezeptionsgeschichte der Robin-Hood-Sage, die Nicolas Schneider vom Keyboard abruft.

Denn so einfach ist das nicht, mit der gerechten Umverteilung. Amelie Barth, Julia Hoffstaedter  und Marouf Alhassan wollen als anarchische Kapuzenträger Helden sein, keine Straftäter. Andererseits, verhungern will man bei der Arbeit ja auch nicht.

Zwei Goldstücke für jedes Kind

Der Frage nach dem Geld entkommt man nicht. Noch nicht einmal der Sherwood Forest ist frei. Der gehört den Banken der Kirche oder einem Stromversorger. Und so geraten die Hoods schon bei der Verteilung der Beute aneinander. Was zählt mehr? Die Materialkosten oder die Idee? Und überhaupt, müsse man doch mit den Kindern teilen, die sie immerhin nicht verpetzt haben.

Die zwei Goldstücke, die jeder Zuschauer daraufhin erhält, muss er gleich wieder abgeben: Techniker Peter (der alte Bösewicht) droht mit Abbruch der Vorstellung, wenn die nicht noch auf das Eintrittsgeld draufgelegt werden: So eine Produktion koste eine ganze Menge.

Und sie ist auch eine ganze Menge wert: Die Fragen, die „Robin und die Hoods“ aufwirft, sind klüger als die meisten erwachsenen Antworten zum Thema.

21022022, Kölner Stadtanzeiger