Wesentlich?

Der Holztisch formt ein Quadrat. Drauf stehen Geräte aus einer entlegenen Zeit: rotes Knöpfchen, grünes Knöpfchen, ein Kopfhörer für ein Ohr, herausnehmbar. Nun blinkt eines der Geräte. Die Person dahinter nimmt den Anruf entgegen, steht auf und flüstert dem Nachbarn etwas ins Ohr.

Eine stille Post kommt in Gang. An deren Ende zählt jemand am Tisch bis drei. „Woooaaarrrr!“ Alle schreien laut auf. Die Tür des Theaterpädagogischen Zentrums in Braunschweig öffnet sich, und zwei Menschen bringen Mandelkuchen, Saft und Wasser.

Mit dieser Szene beginnt sie richtig, die „Konferenz der wesentlichen Dinge“ der Hildesheimer Gruppe Pulk Fiktion. In ihrer Anordnung beschäftigen sich Hannah Biedermann und Eva von Schweinitz mit der Familie: mit den dort herrschenden Regeln, mit dem Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern.

Ein etwa 5 Jahre alter Junge ist am Sonntag der Jüngste am Tisch, ein ca. 45 Jahre alter Mann der Älteste, die Geschlechter sind in etwa gleich verteilt.
Die Aufwärmphase gilt dem Training an den Universalgeräten. Sie dienen der Kommunikation der Menschen am Tisch wie auch der Kommunikation zwischen Regie und Tisch: In dieser Produktion ist der Gast gleichzeitig Akteur. Einer Schauspielerin und einem Schauspieler kommt in dieser Konstellation eine Sonderrolle zu: Sie halten das Geschehen am Laufen, stellen Fragen, machen Vorschläge. Sie dienen als Garanten des Fortschritts am Tisch.

Es ist ein Gesellschaftsspiel in echt. Derartige Mitmachproduktionen sind derzeit en vogue, doch gehen sie häufig noch schief: weil sie sich selbst viel zu ernst nehmen. Der Ton dieser Konferenz klingt von Beginn an leicht und heiter, das immerhin.

Was aber ist das Wesentliche? Tja. Das ist die Frage. Zwar zielen die Fragen auf die Familie ab. Und mit der eingangs beschriebenen Essenssituation wird auch eine archetypische Familienszene heraufbeschworen. Es wird gemeinsam gegessen, jemand erhält von der Regie den Anruf, doch bitte eine Ansprache zu halten. Manche versuchen sogar, der Aufforderung nachzukommen, sich eine Schlacht mit dem Sahnespender zu liefern.

Der Familie mit ihren langsam entstehenden Ritualen, Gewohnheiten, unbeabsichtigten Gemeinheiten jedoch ist in dieser Aufstellung von etwa 80 Minuten nicht beizukommen.

Dafür gelingt Pulk Fiktion mit der „Konferenz der wesentlichen Dinge“ etwas anderes: Man lernt wildfremde Menschen schnell kennen und auch einzuschätzen – oberflächlich.

 

Christoph Braun