Presse Papas Arme 2

STILLE ALS TROST

Im Comedia Theater inszeniert Hannah Biedermann „Papas Arme sind ein Boot“, dessen Vorlage der Norweger Øyvind Torseter lieferte. Handlung und Regieeinfälle stehen sich mitunter im Weg. Das Scheitern des ambitionierten Projekts liefert gleichwohl hochinteressantes Theater.

Schnee ist gefallen, die Welt ist still geworden. Während draußen die Winterlandschaft einem Idyll gleicht, lastet dieStille im Inneren des Hauses auf dem kleinen Jungen und seinem Vater. Auch wenn es nie offen ausgesprochen wird: das Schweigen rührt vom Verlust der Mutter, sie ist gestorben und die beiden sind Zurückgebliebene, die ihr Leben zu organisieren versuchen und sich dabei nahe an der Grenze zur Verzweiflung bewegen. Ein schwieriges Thema, dem der Norweger Stein Eric Lunde in wenigen, makellos formulierten Sätzen Ausdruck verleiht. Sein Landsmann Øyvind Torseterent warf die Bilder zu „Papas Arme sind ein Boot“, einem der bemerkenswertesten Bilderbücher, das in den letzten Jahren in Europa erschienen ist. Torseter zeigt die bleierne Verzweiflung der beiden und zugleich stattet er die Bilder mit einer besonderen Liebe zur Welt der Gegenstände aus, indem er im Haus der beiden selbst die kleinsten Details zeichnet, ausschneidet und in dreidimensionalen Papiercollagen montiert.

AKRIBISCHE, UMSICHTIGE INSZENIERUNG

Das ernste Sujet erhält aufdiese Weise einen Trost, der seine Quelle im besonderen Erfindungsreichtum hat, mit dem die Geschichte erzählt ist. Hannah Biedermann wählte dieses Buch als Vorlage für eine Inszenierung, die sich einreiht in eine hauseigene Tradition, die demonstriert, dass man im Comedia Theater gut mit Bilderbüchern umzugehen versteht. Brigit Kofmel hat ein kleines Amphitheater gebaut, in dem große Nähe zu den Protagonisten Norman Grotegut und Matthias Meyer entsteht. Regisseurin Hannah Biedermann arbeitet akribisch und umsichtig. Wie Torseter sucht sie nach neuen Darstellungsmöglichkeiten, geht ungewohnte Erzählpfade, analysiert das Interieur und beschäftigt sich mit der Stille, die sie durch Musik und Geräusche kontert. Man kann erleben, wie Geräusche in einem Kaffeebecher entstehen oder im Wald die Bäume transportiert werden. Wenn der Junge vorm Schlafengehen die Zähne putzt, wird zuvor ein Waschbecken gemalt. Und der Fuchs, der durch die Geschichte schleicht, kann als Lichtgestaltan den Innenwänden des Theaters verfolgt werden.

FEHLENDE IDENTIFIKATION

Die Rollen von Vater und Sohn lässt sie mehrfach vertauschen. Eine ambitionierte Idee, wie überhaupt die Inszenierungvoller Einfälle steckt, die Sehgewohnheiten aufbrechen. In diesem medialen Feuerwerk bleiben alleine die Geschichteund ihr emotionales Gewicht auf der Strecke. Für ein Innehalten ist keine Zeit. Zudem geht aufgrund der Rollenwechsel die Möglichkeit verloren, sich mit dem Jungen zu identifizieren. Dass die Katastrophe auf das Kind zukommt, als der Vater am Tod der Mutter zu zerbrechen scheint und damit der letzte Schutz verloren zu gehen droht, wird nicht deutlich. Dieser interessanten Inszenierung fehlt letztlich die emotionale Wucht, weil sich ihre Geschichte nicht erzählt.

Thomas Linden, Akt Kölner Theaterzeitung, Dezember Ausgabe 2013